Achtung Passkontrolle! Vielleicht gehören Sie zu den glücklichen Personen, die wegen ihrer Staatsangehörigkeit nie in Schwierigkeiten gekommen sind. Als Grenzgänger zwischen dem Herkunftsland und der neuen Existenz müssen Arbeitsmigrantinnen und -migranten dieses Papierstück nur allzu oft vorweisen. Sichtvermerke über Aufenthaltstitel und Aufenthaltsgenehmigung regulierten die Migration. Die Statistiken an der Wand zeigen, dass die Gesetze für eine österreichische Einbürgerung erst ab 1999 gelockert wurden.
Welche Rolle spielt allerdings die Staatszugehörigkeit abgesehen von rechtlichen Konsequenzen für unsere Identität? Brauchen wir sie, um uns zugehörig zu fühlen, oder ist das Denken in Staaten und Nationen nicht längst überholt? Gibt es den Einheimischen überhaupt noch? Oder sind wir in einer derart globalisierten Welt nicht alle „mehrheimisch“ geworden?
Filiz Calayir berichtet von ihren mehrfachen Zugehörigkeiten, die sich in ihren Träumen bemerkbar machen: Manchmal träumt sie auf Türkisch, dann wieder auf Deutsch. Ist sie eine von vielen, die sich hier zuhause – unddort daheim fühlen?
Die Objekte an der Wand verbinden das Leben vor der Migration mit dem Alltag in Tirol. Sie erzählen als weit gereiste Gegenstände von der „Mehrheimischkeit“ ihrer Besitzerinnen und Besitzer. Erinnerungsstücke überbrücken Zeiten der inneren Zerrissenheit und wirken als Katalysatoren transnationaler Lebensgeschichten.
So auch die Muscheltasche von Clarita Rohrer, die sie bei ihrer Ankunft 1973 in Tirol begleitete. Stets hält sie die Erinnerung an diesen einschneidenden Augenblick wach.
Die Weste trug Vesna Cekić bei Tanzveranstaltungen in Innsbruck. Sie gehörte ihrer Großmutter und hält die familiäre Verbindung mit der Region Leskowac in Südserbien lebendig.
Soziale Netzwerke und digitale Kommunikationstechniken erleichtern uns heute den Kontakt. Sie ermöglichen es, uns an mehreren Orten gleichzeitig anwesend zu fühlen. Urlaubspostkarten, wie sie Frau Cekić als Kind von einer Freundin erhielt, oder die Briefe von Merly Baumgartners Bruder wirken da fast schon antiquiert.
Das Foto für den Reisepass entstand kurz vor Filiz Calayırs Abreise 1979 aus der Türkei. Sie trägt ein Dirndlkleid, das ihr Vater aus Tirol mitgebracht hatte.
Leihgabe von Filiz Calayır
Diese Brief-Kassette war adressiert an Osman Arıkan, der1972 der Arbeit wegen nach Fulpmes/Tirol kam. Seine Mutter Ismi und sein Bruder Ahmed, der seinen Sohn Selahatdin einstweilen in Uşak/Türkei betreute, sind darauf zu hören. Sie bedanken sich für den Geldtransfer und versichern: „Mach‘ dir keine Sorgen, uns geht es gut.“
Leihgabe von Selahatdin Arıkan
Briefe an Merly Baumgartner, geb. Tibang, von ihrem Bruder auf den Philippinen, der Freundin ihres Bruders und ihrem zukünftigen Ehemann Walter Baumgartner, 1978/79
Leihgaben von Merly Baumgartner
In den Sommermonaten fuhren ArbeitsmigrantInnen auf Urlaub in ihre Herkunftsländer. Die Reisen mit zahlreichen Grenzübergängen dauerten meist mehrere Tage. Arif Yıldırım und seine Frau auf der Reise in die Türkei an der bulgarischen Grenze, Anfang 1990er
Originale bei Arif Hüsein Yıldırım
Die Reisepässe der Familie Stojaković zeugen von zahlreichen Kontrollen, Grenzübertritten sowie Ansuchen um Visa oder Arbeitserlaubnis.
Leihgaben von Mirjana Stojaković
Um Kontakt zu halten, wurden aktuelle, rückseitig beschriftete Fotografien an die Familie geschickt. Die Nachrichten sowie die Inszenierung der Bildmotive sollten einen positiven Eindruck der aktuellen Situation vermitteln.
Leihgaben von Nevin Genç und Abdulkadir Özdemir
Kassetten und Schallplatten von jugoslawischen MusikerInnen.
Leihgaben von Oliver Ranislavljević
Als Lorenza Klotz, geb. Lacson, 1979 ihre erste Rückreise antrat, war dies Anlass für ein großes Familienfest auf den Philippinen. Ihr Vater schenkte ihr dabei dieses Messer, dessen Schaft er selbst geschnitzt hatte.